Erdnussbutter macht man aus Erdnüssen, Olivenöl macht man aus Oliven und Babyöl macht man aus … gut, dieser Witz hat schon den ein oder anderen Tag auf dem Buckel. Aber so recht alt werden mag er nicht. Leider.
Die Zeitungen sind dieser Tage mal wieder euphorisch – haben doch US-Amerikanische Wissenschaftler scheinbar eine Möglichkeit gefunden, menschliches Haar wachsen zu lassen. Millionen kahler Männer werden dies mit Freude zur Kenntnis genommen haben. Zumindest in Deutschland – denn die ganze Story hat es hierzulande nicht bis in die Hochglanzzeitungen geschafft. Was die deutsche Presse, vom Spiegel über den Focus bis hin zur Bild „vergisst“ zu erwähnen, ist die Art und Weise, wie den Forschern dieser Durchbruch gelingen konnte. Während hier nur davon berichtet wird, daß man Haare von Männern mit erblichem Haarausfall auf Mäusen züchten konnte, sprechen die australische Herald Sun oder die amerikanische Huffington Post ganz selbstverständlich Klartext – nämlich, daß man dazu Babyvorhäute aus Säuglingsbeschneidungen verwendete. Warum diese brisante Zutat keine Erwähnung wert schien, mag mit der noch immer schwelenden Beschneidungsdebatte zusammenhängen – man wollte wohl den Intactivisten nicht noch Munition liefern. Ob dies nun aus deren tiefer Ergebenheit gegenüber religiösen Würdenträgern und Funktionären oder einfach aus Angst vor dem Einfluss der allseits bekannten und gut platzierten Heulbojen geschah, spielt angesichts unserer beschneidungsaffinen Presselandschaft eigentlich nur noch eine untergeordnete Rolle.
Doch zurück zum Thema. Daß Vorhäute von Babies ein begehrter Rohstoff sind, ist nicht neu – wenn auch nur Wenigen geläufig. Sie werden zu Gewinnung von Kollagen verwendet, mit dem sich Frauen ihre Lippen aufspritzen lassen, zur Herstellung von Anti-Falten-Cremes und zur Züchtung von Kunsthaut, mit der sich nicht nur Verbrennungsopfer behandeln lassen, sondern die in erheblich größerem Umfang auch zu Verträglichkeitstests von Kosmetika verwendet wird. Vertrieben werden diese Produkte unter Namen wie „Apligraf“ oder „Vavelta“. Daß sie nun auch der Schlüssel zur Züchtung neuer Eigenhaare dienen, überrascht nicht. Schließlich handelt es sich – sofern die „Spender“ noch sehr jung sind – um höchst funktionelles Gewebe, das im menschlichen Körper seinesgleichen sucht. Was viel mehr verwundert ist, daß dieser neuen Wunderwaffe der Forschung ausgerechnet in seinem natürlichen Habitat – am Penis des Kindes – allerlei Übeltaten zugeschrieben werden. Man sagt ihr nach, ihre bloße Präsenz würde Entzündungen, Infektionen, Krebs und allerlei weiter Krankheit auslösen. Aber wie gesagt, nur wenn sie da ist, wo Mutter Natur sie wachsen lässt – im Labor hingegen ist sie Gold wert. Schon vor über einem Jahrzehnt äußerten US-Hersteller daher Besorgnis, angesichts der stetig sinkenden Zahl an Routinebeschneidungen könnte möglicherweise keine ausreichende „Ernte“ (O-Ton: harvest) mehr eingefahren werden.
Mit dem neu entdeckten weiteren „Zweitnutzen“ dieses Gewebes könnte der Bedarf an Babyvorhäuten schlagartig explodieren – für die Hersteller ein Problem. Denn der Markt für Haar-Ersatz ist groß. Dies könnte erklären, warum sich grade in den USA die Gerüchte über die Schädlichkeit der nicht-entfernten Vorhaut so hartnäckig halten, und mit gebetsmühlenartiger Stetigkeit auch von medizinischem Personal verbreitet werden – die amerikanische AAP hält die indikationslose Säuglingsbeschneidung als einziger Verband weltweit noch für gerechtfertigt. In Zeiten des wachsenden Bewusstseins der Rechte männlicher Kinder auf einen intakten Körper und eine unbeschränkte Sexualität und dem damit einhergehenden weltweiten Protest gegen Beschneidungen an Kindern dürfte der Markt allerdings zusehends schrumpfen. Vielleicht ist dies auch der Grund, warum von den USA so viele Initiativen ausgehen, die Beschneidung in Afrika zu etablieren – obwohl die Studien, die ihren Nutzen in der HIV-Prävention belegen sollten, außerhalb der USA als weitgehend haltlos angesehen werden. Der Verdacht drängt sich auf, daß unter dem Deckmantel der HIV-Prävention die Beschneidung in Afrika auf breiter Front salonfähig gemacht werden soll, mit dem Ziel, bald möglichst flächendeckend die in den USA aussterbende Routinebeschneidung von Säuglingen gesellschaftlich zu verankern.
Damit würden Babyvorhäute aus der Dritten Welt zum Soylent Green der westlichen Kosmetikindustrie – einer Branche, die bisher wenig ethische Pionierleistungen vorzuweisen hat. Man denke nur an die teils scheußlichen Tierversuche, mit denen die Verträglichkeit von Kosmetika erforscht wurde. Geld regiert die Welt, sagt ein altes Sprichwort, und Skrupel stehen da nur im Wege. Zum Wohle des Aktienkurses tritt immer wieder rücksichtsloses Geschäftsgebaren an den Tag – von billiger Bleifarbe auf Kinderspielzeug bis zu Industriesilikon bei Brustimplantaten. Und bei einem Wundermittel gegen die gefürchtete Glatze geht um viel – sehr viel – Geld. Wenn wir nicht aufpassen, steuern wir auf eine Welt zu, in der der Eingangs zitierte Witz bald keiner mehr sein könnte.