Wer die Wahl hat …

Wer die Wahl hat, hat bekanntlich die Qual.

Für rund 40% der Niedersachsen war diese Qual auch im Jahr 2013 allem Anschein nach nicht zu ertragen – sie blieben in ihren warmen Wohnzimmern. Das Interesse, sich seine Qual noch auszuwählen, verharrt somit auf erschreckend niedrigem Niveau. Zumindest im norddeutschen Flachland scheinen alle Bemühungen, die Politikverdrossenheit der Bürger zu bekämpfen, in eben jenem Sande verlaufen zu sein, den die Politik im Getriebe hat.

Daß der Mann auf der Straße kein Interesse mehr an Politik hat – keine schöne Vorstellung. Aber ist dem auch so? Oder sind es vielleicht doch eher die Politiker selber, die es so vielen verleiden, ihr Wahlrecht zu nutzen? Sind die Parteien wirklich so austauschbar geworden, daß der Bürger es nicht mehr für notwendig erachtet, den immer gleichen Pannen und Skandalen noch eine hübsche Farbe mit auf den Weg zu geben? Meine Großmutter pflegte zu sagen, man solle Scheiße nicht am Geschmack unterscheiden. Wie es scheint, hatten 2 von 5 Niedersachsen eine ähnlich pragmatische Großmutter – und wandten diese Lebensweisheit am Sonntag an.

Doch auch unter denen, die ihren inneren Schweinehund zu überwinden vermochten und an diesem kalten Wintertag den Weg zum Wahllokal antraten, war wohl nicht jeder davon überzeugt, sein Kreuzchen würde seine Meinung angemessen wiederspiegeln. Zumindest nicht die Dame, die noch am Abend ein Photo ihres Wahlzettels auf ihrer Facebook-Pinnwand veröffentlichte.

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Über Sinn und Unsinn dieser aufwändigen Form des Nichtwählens mag man geteilter Meinung sein. Doch es stellt sich einem unweigerlich die Frage, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen Volksvertretern und Volk wirklich ist. Wie viele der Wahlverweigerer hätten wohl gerne ihre Gründe auf den Wahlzetteln verewigt – wenn es denn jemanden „dort oben“ ernsthaft interessieren würde? Wie tief sitzt die Abneigung gegen das, was uns die diätenfinanzierten Nebenjobber jeden Tag in sinnentleerten Reden schmackhaft zu machen versuchen – oder gegen die Nebenjobber an sich? Ich glaube, der Bürger ist nicht politikverdrossen.

Er kann nur mit denen, die sich dieser Tage Politiker nennen, nichts mehr anfangen.