Heute morgen hat mich jemand gefragt wie es denn eigentlich käme, daß ich mich so konsequent dem Sex mit Angelina Jolie verweigere. Ich wäre ja schließlich sehr attraktiv, und es wäre doch schade ihr all das, was ich zu bieten habe, einfach vorzuenthalten.
Mal ganz abgesehen davon, daß das mit der Attraktivität natürlich ausgesprochener Unsinn ist (wer hier widerspricht tut das auf eigene Gefahr), ist die Frage schon ausgesprochen schräg, und die Antwort liegt eigentlich ziemlich klar auf der Hand. Vermutlich deswegen hat man sie mir wohl auch nicht gestellt – sondern eine ganz Andere.
Sie kam als Reaktion auf die Videomitschnitte vom 7. Mai in Köln, dem „Weltweiten Tag der genitalen Selbstbestimmung“ – und man wollte wissen, wieso wir Intaktivisten denn die Presse meiden würden, unsere Aktionen wären doch wenig hilfreich, wenn wir sie nur für uns selbst durchführten. Ich habe durchaus einen Moment gebraucht, um das einzusortieren. Wie kommt der Fragesteller auf den Gedanken, wir würden uns der Presse verweigern? Die Antwort ist eigentlich banal – wir tun es nicht, ganz im Gegenteil.
Jedes Jahr gehen gemeinsame Pressemitteilungen der Veranstalter und Unterstützer über etablierte Verteiler, in gesellschaftlichen und fachlichen Netzwerken wird auf die Aktionen hingewiesen – es ist also nicht so, daß niemand davon wüsste. Es wird lediglich nicht berichtet. Und das mit stoischer Vehemenz. Fragt man nach, so kommt – wenn überhaupt – ein Verweis auf mangelnde Relevanz oder mangelndes Interesse der Leserschaft. Ich bin da schon überrascht, daß der durchschnittliche Printmedienkonsument sich nach Ansicht der Redaktionen sehr wohl brennend dafür interessieren soll, wie viele Katzen in der Wohnung eines Kölner Messies gefunden wurden, nicht aber für ein Kinderrechtsthema, daß 2012 immerhin die Kanzlerin persönlich dazu brachte, in der Rekordzeit von nur 6 Monaten ein neues Gesetz durchzupeitschen.
Nur – wie soll man dieses Phänomen überhaupt ansprechen? Schriebe ich hier einen Satz wie „Die deutsche ‚Qualitätspresse‘ boykottiert die Berichterstattung“, so könnte ich vermutlich bis zu mir nach Hause die „Lügenpresse“-Rufe hören, die in den Köpfen meiner Leser widerhallen. Eine für uns ausgesprochen unschöne Nebenwirkung der Pegida-Demonstrationen – diese haben es geschafft, jeglicher Kritik an der Neutralität der Medien den muffigen Geruch verschwörungstheoretisch-brauner Parolen anzuheften. Und vermutlich waren sie es auch, die meinen Fragesteller zu seinem Fehlschluss verleiteten – wurden doch die Reporter tagelang nicht müde filmisch zu dokumentieren, daß viele Demonstranten nicht mit ihnen reden wollten.
Und ich kann seinen Irrtum sogar nachvollziehen: noch vor ein paar Jahren ging auch ich noch ganz selbstverständlich davon aus, daß die Zeitungen in ihrer Gesamtheit es sich doch nicht nehmen lassen würden über ein Thema neutral und ausgewogen zu berichten – bietet doch jede weitere Sichtweise Stoff für einen weiteren aktuellen Artikel und spricht weitere Leser an.
Die Erfahrung zeigt, daß ich mich geirrt hatte. Es gibt Tabus. Es gibt Themen, über die man nicht schreibt, und Streitparteien, mit denen man nicht spricht. Mich hat das beunruhigt, und das tut es noch. Wenn uns eine selbsternannte Qualitätspresse Wissen und Argumente vorenthält, weil ein Thema zu heiß und die Angst, sich die Finger zu verbrennen zu groß ist, wer kann mir noch garantieren, daß es bei anderen kontroversen Themen nicht auch so sein könnte? TTIP? Klimawandel? Wer garantiert mir noch, daß die Aluhüte Spinner sind, wenn ich mich nicht mehr auf eine unparteiische Presse verlassen kann? Und wie soll eine Demokratie noch funktionieren, wenn die 4. Gewalt im Staate sich blinde Flecken zugesteht?
Ich will weiter über die Verschwörungstheoretiker lachen können, ich will weiter in dem Bewusstsein zu Bett gehen können, alle Seiten der Medaille zu kennen. Ich will mir keine Demokratie vorstellen müssen, in der ich die Wahrheit selber ausbuddeln muss, weil eine echte Demokratie so nicht mehr funktionieren kann. Ich möchte mir all diese Sorgen nicht machen, denn sie verderben mir die gute Laune – und die arme Angelina muss darunter leiden.