Archiv für den Monat: November 2014

Wie schwul ist das denn

Heute stolperte ich – mal wieder – über einen kleinen Artikel in einem Onlinemagazin, der die Homophobie in Deutschland thematisiert. Zunächst konnte ich nur den Kopf schütteln ob der Sprüche, mit denen einige bekannte Persönlichkeiten – vornehmlich Politiker – zitiert werden, und welche Überheblichkeit sie widerspiegeln. Die Leserkommentare sparen dann auch nicht mit Spott und Ärger über die „manche sind gleicher“-Mentalität, die dort zu Tage tritt.

Und doch, ein leichter Beigeschmack bleibt, denn was fehlt ist eine Aufarbeitung. So kann man zwar nicht gutheißen, wenn ein Politiker homosexuellen Menschen ihre Rechte abspricht oder gar die Angst schürt, sie könnten unsere Kinder „verderben“. Aber kann man verlangen, daß jeder es toll findet, wenn Menschen homosexuell sind? Ich denke nicht. Und an dieser Stelle will ich dann auch gleich eine „homophobe“ Aussage auf den Prüfstand stellen – nämlich die, daß Homosexualität nicht „normal“ bzw. „natürlich“ sei. Nun lässt es sich jetzt über die Definition der Begriffe durchaus streiten, aber einen gewissen Wahrheitsgehalt kann man der Aussage nicht absprechen – denn unter dem reinen Gesichtspunkt der direkten Erhaltung der Art mittels Fortpflanzung trifft das durchaus zu. Die rein biologische Aufgabe des Kinderzeugens kann ein homosexuelles Paar nun mal nicht erfüllen. Und doch tritt die Liebe zum eigenen Geschlecht nicht nur bei Menschen, sondern auch im Tierreich mit schöner Regelmäßigkeit auf – ein evolutionärer Nachteil scheint also nicht gegeben zu sein. Hier hätte man ansetzen können, um dem Artikel mehr Tiefe zu geben. Besteht in einem gewissen Prozentsatz homosexueller Individuen unter Umständen sogar ein evolutionärer Vorteil?

Der Gedankengang, daß es nicht nur die reine Zeugung ist, die eine Art erhält, sondern auch das soziale Gefüge, hätte Klarheit schaffen können. Pärchen, die keine Energie für die Aufzucht eigenen Nachwuchses aufbringen müssen, können sich stärker anderen Aufgaben zuwenden – sei es die Versorgung mit Nahrung, der Schutz der Gruppe oder eine Übernahme elterlicher Pflichten von überlasteten, kranken oder verstorbenen Artgenossen. Man könnte sie durchaus als freie Erwachsene, als „Personalreserve“ für die Gemeinschaft sehen. Grade Letzteres ist ein interessanter Punkt in Bezug auf das Adoptionsrecht. Es wäre schön gewesen, einmal den Blick in diese Richtung zu lenken, statt das kurzsichtige Argument der „Natürlichkeit“ einfach nur zu verdammen. Hier wird Aufklärung hinten an gestellt zugunsten einer Political Correctness – Maulkorb statt Bildung. Wer sich auf die Fahnen schreibt, gegen einen Missstand vorgehen zu wollen, tut sich keinen Gefallen, wenn er schon bei den Symptomen halt macht, denn dann ist der Grabenkampf vorprogrammiert.

Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Jeder hat durchaus das Recht, Homosexualität für sich abzulehnen, sich von Homosexuellen fern zu halten, sich vor dem Gedanken zu ekeln et cetera ad nauseam – nur muss sie oder er diese persönliche Einstellung trennen können von politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen. Wie auch die Religion, die sie oft erst erzeugt, ist Homophobie vor allem eines – eine Privatsache, die erst dann bedenklich wird, wenn man sie Anderen aufzwingt, sei es in der Erziehung oder durch Gesetze. Und auch die politisch korrekte Gesellschaft muss hier zu Zugeständnissen bereit sein. Ich für meinen Teil habe keine Probleme mit Homophoben, die mich und die Gesellschaft mit ihren Vorstellungen nicht behelligen. Sie mit Politikern, Klerikalen oder Medienvertretern pauschal auf eine Stufe zu stellen, die alternativen Lebensweisen Steine in den Weg legen, halte ich für meinen Teil für den falschen Ansatz und für ebenso kurzsichtig wie die Argumentationen, die man damit zu bekämpfen versucht.