Ich habe ein neues Smartphone. Mit LTE. Und es ist mir schnuppe.
Daß ich die Begeisterung, die dieser Mobilfunkstandart bei vielen Nutzern auslöst, nicht teilen kann, hat indes weniger technische Gründe – sprechen doch die Daten eine eindeutige und durchaus beeindruckende Sprache. Bis zu satten 100Mbit/s verspricht mir mein Provider, gut sechs mal so viel wie meine DSL-Landleitung mir bieten kann – auf dem Papier also ein echter Grund zur Freude. Daß dies freilich nur unter optimalen Empfangsbedingungen erreicht wird und die effektive Bandbreite in vielen Fällen ein gutes Stück darunter liegen dürfte lasse ich mal außen vor, ist dieses unumgängliche Manko doch allen drahtlosen Netzwerken gemein.
Wenn es also nicht an der potentiellen Leistungsfähigkeit liegt – wo ist denn dann der Haken?
Das eigentliche Problem steckt im Marketing. Denn die praktischen Vorteile sind weit geringer, als es die Werbung der Mobilfunkanbieter erahnen lässt.
An dieser Stelle wird es Zeit, ein wenig mit Zahlen zu jonglieren. Rund 10 Megabyte pro Sekunde vermag mir LTE zu liefern. Eine Seite dieses Blogs wäre damit – rein rechnerisch – in etwa 50 Millisekunden auf meinem Handy – mein altes UMTS-Phone brauchte mit seinen bescheidenen 3,6 Mbit/s fast 1.4 Sek., mein heimisches DSL immerhin noch gute 0.3 Sek. In der Praxis dürfte dies kaum spürbare Unterschiede machen – nicht nur, das selbst die im Vergleich langsamen 1.4 Sek. noch ausgesprochen flott sind, auch andere Faktoren spielen beim Seitenaufbau eine teils gewichtige Rolle. Da wären die Server, von denen man diese Seiten abruft – sind sie nicht schnell genug oder überlastet, nutzt auch die größte Bandbreite nichts. Auch die allgegenwärtigen Werbeeinblendungen drosseln die Leistung – sowohl beim Laden, als auch beim Aufbau der Seite auf dem Endgerät. Je schwächer das Handy, Tablet oder der PC ist, desto größer ist dieser Effekt.
Beim Surfen ist also die Bandbreite zwischen Nutzer und Provider nur ein kleiner Teil der Gleichung. Doch wie schaut es aus, wenn man große Datenmengen übertragen will – einen Film streamen, Treiber oder Apps downloaden? Hier kann die hohe Bandbreite ihre Vorteile voll ausspielen. Und hier ist es dann auch, wo das Marketing die Technik torpediert.
Denn LTE gibt es zumeist in Pseudo-Flatrates – zwar kann man theoretisch unbegrenzt surfen, doch die volle Leistung gibt es nur für ein begrenztes Inklusivvolumen. Ist dieses aufgebraucht, fällt der Anker – es sei denn, man bucht kostenpflichtig weitere Gigabytes hinzu. Und das geht schnell – ein 3GB-Kontingent ist, nutzt man die volle Bandbreite am Stück, nach ca. 5 Minuten bereits Geschichte. Danach geht es zumeist mit 32Kbit/s weiter – 0.032% des theoretischen Maximums. Für die wenigen 100Kb dieser Blogseite würde das eine Ladezeit von 1-2 Minuten bedeuten.
Das wäre dann in etwa so, würde man in einem Supersportwagen vom Hamburger Volkspark zum Münchner Olympiastadion fahren, die Autobahn komplett für sich alleine – und schon nach 90 Metern kommt ein Spielstraßenschild.
Zubuchen heißt also die Devise. Für ein weiteres Gigabyte können da schnell 10€ fällig werden, eine volle DVD schlüge also mit über 40€ Euro zu Buche – alleine für die Übertragung. Eine Folge Dexter auf Netflix anzusehen kostet bei diesem Preis rund 2.50€, ein Katzenvideo auf Youtube 80 Cent.
Unterm Strich bedeutet das in der Praxis, daß LTE derzeit – je nach Anwendung – entweder wenig bringt oder unverhältnismäßig teuer ist. Natürlich müssen die Anbieter ihre Investitionen wieder hereinholen, doch bei diesen Kosten ist der Nutzen für den Anwender kaum mehr gegeben. Das ist schade, denn das technisch Machbare ist beeindruckend, wird aber durch die finanzielle Seite bedeutungslos. Und deshalb ist es mir auch völlig egal, daß mein neues Smartphone es beherrscht.