Die Debatte um die Beschneidung von Minderjährigen kommt auch nach fast einem Jahr nicht zur Ruhe. Auch den letzten, die dem Märchen vom Rechtsfrieden aufgesessen sind, den der im Dezember verabschiedete §1631d BGB uns angeblich beschert hat, dürfte es langsam aber sicher aufgegangen sein – dieser Friede hat nur in den Köpfen derer existiert, die ihre Forderungen durchsetzen konnten und auf ein schnelles Vergessen gesetzt hatten.
Nun kocht alles wieder hoch, was die Gutmenschen begraben gehofft hatten – und die deutsche Justiz steht vor einer Bewährungsprobe der brisanten Art.
Dieser Tage darf sich die Staatsanwaltschaft mit einer Anzeige beschäftigen, die es in sich hat. Christian Bahls vom Verein MOGiS e.V. hat einen Bericht des Tagesspiegel zum Anlass genommen, gleich mehrere jüdische Religionsvertreter wegen einer am 3. März in Berlin durchgeführten Beschneidung anzuzeigen. Im Rahmen der Feierlichkeiten soll nämlich auch eine Metzitzah B’peh stattgefunden haben – hierbei nimmt der Mohel nach Abtrennung der Vorhaut den Penis des Babys in den Mund, und saugt Blut aus der offenen Wunde. Ein simpler Schluck Wein, den er zuvor in den Mund nimmt, soll hierbei die Desinfektion bewerkstelligen.
Auch die übrigen hygienischen Umstände, die auf dem im Tagesspiegel veröffentlichten Video zu sehen sind, entsprechen nicht grade dem, was man sich unter den „Regeln der ärztlichen Kunst“ vorstellt. Diese aber werden vom §1631d BGB vorausgesetzt, auch wenn der Gesetzestext sie nicht explizit vorschreibt. Dort heißt es, eine Beschneidung wäre legal, „wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll„. Dem Wortlaut nach reicht also schon die Absicht, diese Regeln einzuhalten, eine tatsächliche Einhaltung hingegen wird nicht explizit verlangt. Was in diesem Fall aber wohl keinen Unterschied machen dürfte, denn schon die ausgewählte Umgebung und die Zuschauermenge in direkter Nähe zur Operation läuft diesem Zuwider.
Und so kann die Staatsanwaltschaft denn nun zwischen zwei Zitronen wählen, in die sie beißen muss. Die eine, ein Prozess gegen einen Rabbi wegen Ausübung eines religiösen Rituals, wäre – wie auch schon die Beschneidungsdebatte im vergangenen Jahr – eine grade in politischen Kreisen höchst unwillkommene Auseinandersetzung zwischen althergebrachten religiösen Riten und der Wirklichkeit des 21.Jahrhunderts. Die andere, eine Abweisung der Klage, wäre quasi ein Freibrief, chirurgische Operationen auch ohne Einhaltung fundamentaler medizinischer Standards durchzuführen. Ähnlich verhielte es sich mit einem Freispruch, sofern die Durchführung einer Metzitzah B’peh nachgewiesen wäre – denn der würde das wahre Gesicht des Beschneidungsgesetzes nur allzu deutlich zu Tage fördern. Der Bürger würde wohl Schwierigkeiten haben, zu verstehen, daß das Ablutschen eines blutigen Babypenis in Deutschland ein völlig normaler Vorgang sein soll.
Wer jetzt erwartet hätte, daß sich die, die lautstark für den §1631d BGB gekämpft haben, sich von solch fragwürdigen Praktiken distanzieren, wird enttäuscht sein. Ganze zwei Wochen ließ sich der ZdJ Zeit, Stellung zu beziehen. Ablehnen wollte man die Metzitzah B’peh dann aber doch nicht, zumindest nicht so richtig. Mehr als „ausdrücklich nicht befürworten“ kommt Herrn Graumann nicht über die Lippen. Dafür aber um so mehr Vorwürfe an die Anzeigesteller, die er als fanatische Kämpfer betitelt, und denen er wie schon so oft „belehrende Bevormundung“ vorwirft.
Man darf gespannt sein, wie sich die Damen und Herren bei der Staatsanwaltschaft nun letztendlich entscheiden werden. Eines ist in jedem Falle sicher – die Debatte um die Beschneidung von Minderjährigen hat mit dem Erlaubnisgesetz nicht geendet. Sie kommt grade erst in Fahrt.